Montag, 2. März 2009

Nur ein Seetag...

Der Weltreisende an sich…


wacht morgens um sieben Uhr auf und sucht den Tagesplan hervor: Was muss ich tun? Welchen Vortrag muss ich anhören? Was bietet die Abendshow? Wie ist die Kleiderordnung? Gibt es Sonderangebote in der Boutique?
reiht sich um acht Uhr in die Reihe am Frühstücksbuffet; hat längst schon alle Wurst- und Brötchensorten durchprobiert, kennt den nettesten Koch an der Bratpfanne, würdigt die Würstchen, das Porridge und die Bohnen keines Blickes und steuert direkt zum Müsli und der Schale mit Ananas (wenn nicht schon weggefischt!)
braucht keine Getränke mehr zu ordern, denn das gesamte Servicepersonal weiß, dass erst der Espresso kommt und dann der Grüne Tee (und dass ein niedersächsischer Magen am Morgen solche Reihenfolge unkommentiert hinnimmt).
tauscht mit dem Tischnachbarn ein paar nette Worte zum gestrigen Ausflug (oder wenn das ein Seetag war, zum morgigen), tauscht mit den näheren Bekannten die Photospeicherkarten und Lesegeräte und mit den neuen Freunden die Zeiten fürs Kartenspiel.
eilt danach mit schnellem Schritt zum ersten Vortrag in die kühle Atlantic Lounge, (wohlweislich mit einem langärmeligen Pullover ausgestattet – nur Anfänger frösteln noch) und erweitert auf vergnügliche Art und Weise sein Wissen um Sternenstand und Menschentand.
marschiert gegen elf Uhr auf dem Promenadendeck seine 11 Runden, mit leicht amüsiertem Blick auf all die Sonnenliegenbedecker, Shuffleboat- und Dartspieler und Relinggucker, denn diese seine 4km forcierter Spazierschritt sind fester Bestandteil im Trainingsplan.
schaut gegen 12 Uhr mal unverbindlich auf Deck 8 am Pool vorbei, wo (‚wetterbedingt’) ein erster Snack geboten wird und er eventuell das Angebot des Tagescocktails in Anspruch nimmt (alkoholfrei natürlich).
kann um halb ein Uhr bereits wieder essen und am Mittagsbuffet die qualvolle Entscheidung zwischen Salaten, Suppen, Fleisch, Fisch, Obst, Torte und Eis treffen – natürlich nicht ohne mit seinem Tischnachbarn die letzte Abendshow zu kommentieren und die zunehmende Dickfelligkeit (innerlich und äußerlich) so mancher Mitreisenden zu belächeln.
entschuldigt sich für ein Stündchen Mittagsruhe (‚Bitte nicht stören!’) und hat somit schon einen halben schweren Seetag hinter sich.
verspielt und verdaddelt den Nachmittag in Harry’s Bar bei Skat und Bingo, überlegt noch, ob ein Tässchen Kaffe gegen vier Uhr nicht ein wenig hilfreich wäre, und steckt schließlich auch noch ein wenig die Nase ins mitgebrachte Buch. (‚Mein Gott, ich komme nicht einmal zum Lesen!“)
erhält gegen 17 Uhr 2 Canapés auf die Kabine gebracht und muss sich langsam aufs Abendprogramm konzentrieren: Duschen, Ankleiden, Stylen. Schon wieder Frack? Oder Hawaiihemd? Oder etwa Piratenoutfit? (Momentan nicht so angesagt wegen der echten Vertreter dieser Spezies… )
entscheidet sich nach langem Zögern spontan für eines der beiden Restaurants, für einen der Hundert Tische und sechs der Mitreisenden und schlägt voll Neugier die gereichte Speisekarte auf. Mehmet weiß längst, dass Madame nur Wasser, Monsieur Wein und Wasser wünschen, dass Vegetarisch? Ja- aber… Der Weltreisende erhält die Serviette auf den Schoß gelegt, die Getränke gereicht, die Teller angewärmt und zeitgleich serviert – nur kauen und herunterschlucken muss er selbst.
trinkt das eine oder andere Gläschen auch noch nach dem Dessert (man sitzt halt gerade in so netter Runde), bis ein Blick auf die Uhr gemahnt: Die Show ruft! Manche Aufführung wiederholt sich, manches erübrigt sich; doch kann man ja auch noch auf der Terrasse Doppelkopf spielen und die Sterne anschauen.
sinkt nach einem langen Tag müde ins liebevoll von der Stewardess aufgeschlagene Bett, mümmelt noch schnell das kleine Betthupferl auf dem Kopfkissen und nimmt sich vor, am nächsten Tag den Urlaub etwas weniger anstrengend zu gestalten.
Gute Nacht!

3 Kommentare:

Unknown hat gesagt…

. . . herrlich! So zu lesen, scheint es mir recht anstrengend, solch eine Weltreise zu absolvieren :-)). Immer mit dem "Knipoog" wie der Holländer sagt, dem Augenblinzeln dabei. Viel Spass beim nächsten Landgang und da bitte ganz doll an mich denken. Nie dagewesen, aber doch mit Herz und Seele dort, denn dort ist die Heimat meiner drei Schätze und des Familienstammes.
Liebe Grüsse von Sophie

jms hat gesagt…

Hallo, Ihr Beiden, das finde ich mal einen ganz gelungenen Beitrag, denn schließlich will man ja nicht nur wissen, was es so in der Welt zu sehen gibt, sondern auch und gerade, wie man so die Tage auf See verbringt. Nun, es gibt mit Sicherheit schlechters. In diesem Sinne schönen Weiterurlaub.
Gruß
JMS

Anonym hat gesagt…

Hallo Ihr Zwei
danke für den amüsanten Bericht "aus dem Leben eines Kreuzfahrers"