Freitag, 20. März 2009

Mumbai

Mumbai / Bombay



Wer sein Auto durchs Mumbais wahnsinnigen Verkehr lenken kann, kann dies auch überall in der Welt furchtlos tun, keine Frage. Fraglich allerdings ist, ob er es tun sollte, denn hier, wo 14-16 Millionen Menschen leben und täglich sich zu Fuß, auf dem Fahrrad, dem Motorrad, dem Auto, dem LKW, dem Bus durch die Straßen quälen, herrschen sonderbare Verkehrsregeln. (Die Rangfolge der Verkehrsteilnehmer ist einfach: der Stärkere hat Recht! Ampeln sind eine nette Beleuchtung und zählen nicht! Das Ende der Kette bilden die Fußgänger..)

Wir lassen die Amadea-Busse ohne uns ziehen und suchen uns stattdessen ein Taxi, in das wir 4 Personen passen. Eine schier unlösbare Aufgabe – wenn sich nicht der ‚Herr der Taxis’ dazu bereit erklärt hätte, uns in seinem Privatauto (einem Tata) durch die Stadt zu fahren. Er heißt ‚Jonny’ und erweist sich als geübter und guter Stadtführer.
Unsere Liste der gewünschten Stopps liegt ihm vor, wir haben drei Stunden vereinbart und wollen zum Schluss noch zum Crawford Market. Hier soll es „alles geben, was ein Touristenherz begehrt“: Berge von Früchten und Gemüse (lieber nicht!), indische Gewürze, bunte Papageien, Hühner (auch eher nicht!), Gold und Silber, Tuch und Teppich – dazu kostenlos: hupende Autos, schwerstbepackte Handkarren, schimpfende Lastträger und gelangweilt dreinschauende ‚heilige’ Kühe. Als wir im Vorüberfahren einen Blick auf das Chaos und Gewirr des Marktes erhaschen, nehmen wir innerlich schon Abstand von diesem Teil unseres Planes. Aber man wird sehen..

Am Taj Mahal Hotel, 1903 erbaut und vor kurzem noch leider unter traurigen Umständen in den Schlagzeilen, steigen wir zum ersten Mal aus. Sogleich umringen uns Händler, Bettler, Taxifahrer und wir sind froh, dass wir alle Taschen zu Hause gelassen haben. Nein, wir wollen keinen Jasmin kaufen, auch keinen Fächer, wollen unsere Australienhüte nicht verkaufen und brauchen auch kein neues Taxi!! Nur mal eben schnell einen Blick aufs Gateway of India werfen. Im Jahre 1911 war aus Anlass des Indienbesuches von König Georg V. und seiner Frau ein Gipspavillon errichtet worden; 1925 wurde dieser zu einem massiven Torbau aus Basalt umgestaltet. Leider gibt es auch jetzt wieder Umbauarbeiten, wir sehen hauptsächlich Tücher, die vor dem Tor hängen.

Gegenüber liegt das prächtige Hotelgebäude, in dem einige Terroristen (ebenso wie in 2 weiteren großen Hotels der Stadt) Brandsätze gezündet haben. Wir passieren mehrere Sicherheitskontrollen und betreten das traditionsreiche Gebäude. Mmmh, wirklich beeindruckend, ein echtes Luxushotel. Reich verzierte Hallen, Entrees, Gänge, ein Garten mit Pool und Dutzende von Dienern, die nur auf einen Wink von dir warten. (Erfreut sehen wir, dass die Angriffe von den Terroristen im Nov.08 nicht tot geschwiegen werden, sondern vielmehr eine kleine Marmorgedenktafel an die Getöteten erinnert.) Wir trinken eine Tasse Masala-Tee und suchen auch die Luxus-Restrooms auf!! Ein junges Mädchen öffnet uns alle Türen, schließt sie hinter uns – und hat später auch schon den Wasserhahn für uns betätigt, benetzt unsere Hände mit Seife und reicht dann ein kleines Handtuch. Wir müssen nichts berühren!! Als Kristin sie ob dieser Arbeit bedauert, lächelt sie und meint, es sei doch vielfach besser als ‚draußen’.

Draußen, ja draußen ist die Realität wohl für manche(n) deutlich härter. Hier kämpft jeder um einen kleinen Verdienst oder verlegt sich aufs Stehlen. Kinder mit großen schwarzen Augen hängen sich an deine Hand oder ‚kleben’ förmlich am Autofenster… Doch wenn man ihnen Geld gibt, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sie es in kürzester Zeit von ihren Dealern wieder abgenommen bekommen.

Vor allem dieses Durch- und Nebeneinander von Luxus und Armut, von Pracht und Elend, von modernster Technologie und vorsintflutlichen Gefährten macht einen ganz wuschig. Erstaunlich jedoch ist, dass Mumbai deutlich sauberer ist als die anderen Städte Indiens , die wir zuvor besucht haben. Wie immer sie das hinkriegen: Die Hauptstraßen sind ‚relativ’ sauber – trotzdem sitzen auch hier kleine Kinder (geschätzt 3-5 Jahre alt) am Straßenrand, ohne Aufsicht, liegen Personen auf dem Gehweg. Wir halten es kaum aus, diese Eindrücke aufzunehmen.

Der kleine Ausflug in 2 Geschäfte in der Nähe des Taj Mahal Hotels ist wenig ergiebig; einen (zugegeben schönen) Riesenteppich brauchen wir wirklich nicht!
Uns ist nach GRÜN, wir wollen nicht nur graue Häuserfassaden sehen – Jonny fährt uns in den Kehmala-Nehru-Park, wo die berühmten ‚Hängenden Gärten’ uns etwas zum Verschnaufen einladen. Na ja, wo da etwas hängt, wissen wir nicht, aber immerhin bestaunen wir einige aus Hecken und Büschen geschnittene Figuren. Eine kleine Oase inmitten der Straßenschluchten, die so ganz anders sind als die von New York, Paris oder Rio.

Ein Vergleich mit Havanna drängt sich auf, als wir den Marine Drive, die 1,5 km lange halbrund geschwungene Uferpromenade, sehen. (The Queen’s Necklace genannt) Auf Kuba hat die allgegenwärtige Musik die Tristesse etwas gemildert, hier sind es die leuchtenden Saris der Inderinnen.

Es wird Zeit, etwas zu Mittag zu essen. Jonny empfiehlt uns eins der besten indischen Lokale der Stadt und setzt uns vor der Tür ab. Seine Handynummer haben wir – wenn wir in Ruhe gegessen haben, sollen wir ihn anrufen. Ob das wohl klappen wird? Aber er will ja noch Geld von uns – und ein bisschen mutig sind wir auch schon auf dieser Weltreise geworden.
Das Restaurant ist einsame Spitzenklasse! Wir steigen Marmorstufen in die erste Etage und werden durch eigentlich recht kleine Räume an unseren Platz geführt. Mit Hilfe von Spiegeln aber erscheinen die Nischen gar nicht so klein, das Restaurant fast unübersichtlich verwinkelt – alles in allem aber urgemütlich (auf indisch). Wir essen vorzüglich, haben wohlweislich alle unterschiedliche Speisen bestellt und kommen so in den Genuss von allerlei geheimnisvollen Esskreationen. LECKER!!! Und scharf! (Sorry, aber die ‚Indische Küche’, die uns am Abend an Bord erwartet, kann mitnichten mithalten.)

Jonny holt uns – nach einem kurzen Anruf – wieder ab und dann besuchen wir das Mani Bhavan. Hier hat Mahatma Gandhi zwischen 1917 und 1934 sein Hauptquartier aufgeschlagen. Das Haus ist jetzt ein Nationalmuseum, in dem u.a. Stationen von Gandhis Leben in kleinen Schaukästen mit Puppen nachgezeichnet wird. Gandhis Zimmer, in dem er lebte und arbeitete, ist noch erhalten.

Unsere Köpfe summen und brummen von all den Eindrücken des Tages. Nach einer weiteren halsbrecherischen Fahrt durch den beginnenden Abendverkehr Mumbais werfen wir noch einen Blick auf das Wäschereiviertel Mahalakshmi Dhobi Ghat. Die Wäscher waschen und trocknen täglich Berge von schmutziger Wäsche in langen Reihen gemauerter Becken. Kaum vorstellbar, dass hier kein Wäschestück verloren geht, vielmehr pünktlich (und sauber) wieder bei seinem Besitzer landet!!!

Mumbai – wir können uns vorstellen, das diese Stadt Menschen aus dem ganzen Land anzieht. Viele versprechen sich hier Arbeit, Erfolg – vor allem im indischen Filmgeschäft (Bollywood). Oftmals zieht es Kinder und Jugendliche hierher, die hoffen, dass ihr schauspielerisches Talent entdeckt wird. Doch oft vergessen sie, dass sie die ‚falsche’ Sprache sprechen und schon allein deswegen keine Chance haben! In Indien herrscht Sprachen/Dialektvielfalt, mit starken regionalen Unterschieden!

Auf unserer Fahrt kreuz du quer durch die Stadt passieren wir auch den prachtvollen Bahnhof, das Oberste Gericht und das Prinz of Wales Museum – allesamt unverkennbar britische Handschrift. Nach Hitze und Lärm kehren wir zurück in unsere Oase ‚Amadea’.

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