Samstag, 7. Februar 2009

Rede des Südseehäuptlings

Die Reden des Südseehäuptlings Tuiavii aus Tiavea


Heute, da der Himmel grau in grau mit dem Meer eins zu sein scheint und wir uns von der Südsee verabschieden, möchte ich aus einem Buch zitieren, das mir eine Mitreisende zu lesen gab.
„Der Papalagi“ ,der Fremde
Mit Staunen beschrieben von einem Matai aus Samoa.

„Der Papalagi ist immer unzufrieden mit seiner Zeit, und er klagt den großen Geist dafür an, dass er nicht mehr gegeben hat… Er zerschneidet jeden Tag geradeso, als führe man kreuzweise mit einem Buschmesser durch eine weiche Kokosnuss. Alle Teile haben ihren Namen: Sekunde, Minute, Stunde….
Es gibt in Europa nur wenige Menschen, die wirklich Zeit haben. Vielleicht gar keine. Daher rennen die meisten durchs Leben wie ein geworfener Stein. Fast alle sehen im Gehen zu Boden und schleudern die Arme weit von sich, um möglichst schnell voranzukommen. Wenn man sie anhält, rufen sie unwillig: „Was musst du mich stören, ich habe keine Zeit, siehe zu, dass du deine ausnützt!“
Sie tun geradeso, als ob ein Mensch, der schnell geht, mehr wert sei und tapferer, als der, welcher langsam geht. …
Ich glaube, die Zeit entschlüpft ihm wie eine Schlange in nasser Hand, gerade weil er sie zu fest hält. Er lässt sie nicht zu sich kommen. Er jagt immer mit ausgestreckter Hand hinter ihr her, er gönnt ihr die Ruhe nicht, sich in der Sonne zu lagern. Sie soll immer ganz nahe sein, soll etwas singen und sagen. Die Zeit aber ist still und friedfertig und liebt die Ruhe und das breite Lagern auf der Matte. Der Papalagi hat die Zeit nicht erkannt, er versteht sie nicht, und deshalb misshandelt er sie mit seinen rohen Sitten.
O ihr lieben Brüder! Wir haben nie geklagt über die Zeit, wir haben sie geliebt, wie sie kam, sind ihr nie nachgerannt, haben sie nie zusammen- noch auseinanderlegen wollen! Nie ward sie uns zur Not oder zum Verdruss. Der unter uns trete vor, der da keine Zeit hat! Ein jeder von uns hat Zeit in der Menge; aber wir sind auch mit ihr zufrieden, wir brauchen nicht mehr Zeit, als wir haben, und haben doch Zeit genug. Wir wissen, dass wir immer noch früh genug zu unserem Ziele kommen und dass uns der große Geist nach seinem Willen abberuft, auch wenn wir die Zahl unserer Monde nicht wissen. Wir müssen den armen verirrten Papalagi vom Wahn befreien, müssen ihm seine Zeit wiedergeben. Wir müssen ihm seine kleine, runde Zeitmaschine zerschlagen und ihm verkünden, dass von Sonnenaufgang bis –untergang viel mehr Zeit da ist, als ein Mensch gebrauchen kann.“

Ja, so leben die Papalagi in ihren Steintruhen und sprechen von morgen und gestern und sehen das Heute nicht. Ob wir ein bisschen von diesen Gedanken aus der Südsee mitnehmen können?

Die 230 Gäste, die in Auckland von Bord gehen, sind sicherlich nicht ganz traurig, dass wir uns vom blauen Himmel und der Wärme der Südsee verabschieden müssen; wir aber bereiten wieder einmal einen Kabinenwechsel vor (diesmal ganz exklusiv weit nach vorne, gleich unter der Brücke, Kabine 862) und denken, dass es bald auch wieder Sonne satt geben wird.
Von Australien erreichen uns Nachrichten von Regen und Stürmen, welche die Krokodile bis in die Vorgärten treiben – aber auch von Hitzetoten in Sydney und Melbourne bei 43°. Wir lassen uns überraschen und freuen uns auf die kommenden 9 Wochen.

1 Kommentar:

Unknown hat gesagt…

. . . dieses Buch würde ich sehr, sehr gern lesen. Wir können hier doch so manches lernen, von dem wir ja eigentlich glauben, es nicht nötig zu haben. Aber es lohnt sich ganz sicher. Hört sich alles so richtig an, wie der
Papalagi dargestellt wird. Verstecken gilt nicht :-)).
Viel Spass in Auckland wünscht euch eure Sophie