Montag, 22. Dezember 2008

Das Schiff lebt!

Liebes Lobuch!

Das Schiff lebt! Und wir mit und auf ihm! Die lange Dünung (4 Meter Höhe) bringt uns heute Morgen ins Grübeln: Wenn uns bereits beim Zubinden der Schnürsenkel der Magen rebelliert, sollen wir dann wirklich mit Spinning und Streching im Fitnessraum den Körper ärgern? Wir entscheiden tapfer – den Sport heute noch einmal ausfallen zu lassen und stattdessen einen leichten Rundgang um das Promenadendeck (370 m Länge) vorzunehmen. Auf den ersten Blick sieht das Meer recht freundlich aus, doch sind die langen Wellen, Folgen eins Sturms in der Biskaya von einigen Tagen zuvor, eine nicht zu unterschätzende Herausforderung an unser Gleichgewichtssystem. Uli schwankt, nicht nur auf dem herrlichen Promenadedeck, sondern auch innerlich, ob er seinem Magen überhaupt ein Frühstück zumuten kann und soll. Doch bestehe ich auf meinem morgendlichen Espresso und so sitzen wir bald wieder in einer gemütlichen Ecke des Amadea-Restaurants und sehen zu, wie an Deck Tische und Stühle aufgebaut werden. Wer will denn heute schon draußen sitzen?! Wenige Stunden später wollen wir! Denn es gibt ab 11h ein seemännisch zünftiges Grillen an Deck, mit Musik von Diana & Gil, die (noch) mit dicker Daunenjacke gegen den Wind geschützt, Seemannslieder zum Besten geben. Wer will und kann, füllt sich den Magen mit leckeren Heringshappen, Shrimps und Salaten. Wir lassen das man lieber, sagen aber bei Putu, dem netten Javanesen, nicht ‚Nein’, als der mit seiner Doppelkornflasche vorbeischaut.

Zeit, auf unsere Erlebnisse zurückzublicken, haben wir erst jetzt gefunden. Mit dem Laptop auf den Knien sitzen wir in der Vista Lounch, Uli hat noch einen der begehrten Plätze für uns ergattert. Gestern saßen wir leider etwas zu dicht am weißen Klavier, auf dem die russische Starpianistin Weihnachtsmelodien erklingen lässt – da konnte man kaum miteinander sprechen. Aber auch heute ist das uns umgebende Gewusel und Geräusch so eindringlich, dass ein Blick aus den großen Panoramafenstern vorzuziehen ist. (Mein Lektor Uli kritisiert gerade, dass ich diesen schönen Ort zu kritisch beschreibe; es herrsche eine lebhafte Atmosphäre, jeder orientiert sich noch auf der Suche nach seinem Lieblingsplatz. Ich lasse das man so stehen.) Zu Gesprächen gibt es ja ausreichend Gelegenheit, ebenso wie zum Bekanntschaften Schließen. Die freie Tischwahl hält mehrmals am Tag eine Überraschung parat: Werde ich wieder neben solch einem Stiesel sitzen, der die Zähne nicht einmal zu einem freundlichen ‚Wo kommen Sie her?’ oder ‚Wie weit fahren Sie mit?’ auseinander bringt? Oder wird uns der sympathische Langlauf-Veteran wieder ein schlechtes Gewissen bereiten, weil er ganz konsequent nur eine Suppe und ein paar Salatblätter isst und zugegeben in seinem Alter eine fantastische Figur hat?!
Jede Essensrunde hat ihren eigenen Reiz; jeder Gast hat seine Eigenheiten, die glücklicherweise nicht alle so sichtbar sind wie die weißen Socken der Dame neben mir, die ungeniert im Café ihre Schuhe ausgezogen hat…

Gestern um diese Zeit zogen die weißen Klippen von Dover an uns vorbei, was nach vielen Stunden mit Blick aufs Wasser fast schon wie Land in Sicht anmutet! Leider gilt das aber nicht, so dass wir nicht die wunderbare Amadea-Abschiedsmelodie hören. Das muss warten bis Lissabon. Schade, denn vor allem Uli hat bei der Auslaufmelodie in Bremerhaven noch lange an Bord gestanden und den endlos langen Container-Kai an sich vorbeiziehen lassen. Ich gebe zu, dass mich die Lichter im Dunkeln nicht mehr angezogen haben, das wird sicherlich anders sein, wenn eine gerade besuchte Stadt uns auf diese Weise ein letztes Adieu mit auf den Weg geben wird!

Gestern Abend hatten wir den ersten Galaabend dieser Reise und haben uns so gut es ging aufgerüscht. Bevor wir aber eine erlesene Auswahl von Gänsebrust oder Hokifisch serviert bekamen, hieß es: Schlange stehen! Geduldig rückten wir Schritt vor Schritt vor und begutachteten die Roben der Damen und staunten, wie mancher Herr noch in den Smoking von seiner Hochzeit zu passen glaubte. Insgesamt aber bot die Gesellschaft in schicker Kleidung einen festlichen Rahmen, der gleich ein ganz anderes Gefühl von Feierlichkeit transportiert. Es ist eben nicht jeden Tag Begrüßung durch den Kapitän angesagt! Auch Kapitän Flohr war geduldig und fand für jeden ein paar nette Worte, obwohl er sich NICHT an all diejenigen erinnern konnte, die das wohl gehofft hatten. Viele Gäste der Amadea nämlich sind nicht zum ersten Mal an Bord. Und heute Abend, wenn wir noch einmal als Weltreisende gesondert vom Kapitän und vom Kreuzfahrtdirektor Adlmeier empfangen werden, haben wir ein Rendez-vous mit 153! Mitreisenden!!

Die Wettervorhersage für Lissabon ist freundlich, 14° und leichte Bewölkung werden uns angekündigt. Die frostigen Festtage der Heimat sind dann für uns wohl schon weit weg.

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

... da schwanke ich dann mal mit und bewundere jede Aktivität von euch. Werde meine Urlaubsfotos von Lissabon anschauen und euch begleiten, natürlich nur im Kopf :-))). Trotzt tapfer weiter dem Wellengang und ganz viel Freude.
Sophie

Anonym hat gesagt…

seemännisch grillen...Seemännisch grillen...ich lach mic weg. Seit wann grillen Sehleute? Ich weiß nur, das Seeleute Speck braten! aber grillen?

Gabriele hat gesagt…

Hallo Ela und Uli,
wir freuen uns, dass es euch trotz Wetter so gefällt. Das wäre meinem Mann ganz recht. Hat er bei jeder Kreuzfahrt vermisst. Ich nicht.
Weiterhin viel Spaß

wünscht Gabriele